Ilhan Kizilhan
"Ehrenmorde"
Der unmögliche Versuch
einer Erklärung
Hintergründe - Analysen - Fallbeispiele
Friedens- und Demokratiepsychologie,
Bd. 4, 143S., brosch., 3 Abb., 1Tab., 26.80 €. Berlin: regener, 2006.
ISBN 3-936014-08-6
Alljährlich werden
weltweit mindestens 5.000 Mädchen und Frauen im Namen der Ehre emordet
- dies besagt der Weltbevölkerungsbericht der UNO aus dem Jahr 2005. Die
tatsächliche Zahl der Fälle liegt wohl eher zwischen 10.000 und 100.000.
Diese so genannten Ehrenmorde treten zwar häufig in islamisch geprägten
Ländern auf, beschränken sich jedoch nicht auf diese und sind kein
religiöses, sondern ein soziales Phänomen: Menschen töten Menschen,
weil sich jemand, meist eine FRau, nicht an tradierte Normen und Verhaltensregeln
gehalten hat.
Diese Formen von Gewalt sind rational und emotional kaum zu verstehen, und es
ist nicht möglich, eine monokausale Erklärung für die Taten zu
finden. Es mag auch sein, dass es ob ihrer Ungeheuerlichkeit keine Erklärungen
gibt, die uns irgendwie befriedigen könnten. Und vielleicht wollen wir
auch gar keine Erklärungen, da solch archaisches Verhalten prinzipiell
abzulehnen ist. Um jedoch verhindern zu können, dass Ehrenmorde immer wieder
und migrationsbedingt auch in westlichen Gesellschaften geschehen, ist es unabdingbar,
sich diesem so wenig rational fassbaren Gegenstand auf rationaler Grundlage
zu nähern.
Dies tut der Autor: Er analysiert die historischen, politischen und psychologischen
Hintergründe des Phänomens, um mögliche wissenschaftlich fundierte
Erklärungen dafür finden zu können und diskutiert zahlreiche
aktuelle Fallbeispiele ebenso wie Modelle zur Prävention. Es geht ihm nicht
darum, dem europäischen Denken "fremd" erscheinende Gruppen mit
ihren spezifischen Werten und Normen oder die Religion von Menschen zu verurteilen
oder in Misskredit zu bringen - im Gegenteil, er appelliert an uns alle, zu
versuchen, die Probleme der Migranten zu verstehen, die einen mühevollen
Prozess der Geschichtsverarbeitung durchleben, der sich so gänzlich von
unseren Erfahrungen im Westen unterscheidet.